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Das Verbrechen an der Unschuld

Nachfolgend ein Essay zum Thema Pädophilie im Film von der Genossin Schmidt und meiner Wenigkeit, erschienen im Rahmen des Dossiers Das Verbrechen an der Unschuld in der Jungle World vom 19.07.2012. Das gesamte Dossier mit Interviews zum Thema Pädophile sowie zu den Filmen Stillleben und Outing findet sich im dortigen Archiv.

Der Begriff Pädophilie wurde 1886 durch den Psychiater und Sexualwissenschaftler Richard von Krafft-Ebing als Bezeichnung einer sexuellen Störung eingeführt. Bereits in seiner Beschreibung der Störung konstatiert Krafft-Ebing, dass das ausschließliche sexuelle Interesse an Kindern zeitlich überdauernd, also nicht veränderbar sei. An dieser Definition hat sich seither wenig geändert, die psychiatrische Forschung behandelt das Phänomen immer noch als eine Störung der Sexualpräferenz, die therapiert, aber nicht geheilt werden kann. Therapieangebote sind jedoch rar. 2005 initiierte die Berliner Charité das Projekt »Kein Täter werden«. Bereits nach wenigen Tagen waren alle Therapieplätze ausgebucht. Mittlerweile werden ähnliche Projekte in sechs deutschen Städten angeboten. Doch die öffentliche Wahrnehmung von Pädophilie als kriminellem Phänomen bleibt weiter vorherrschend. Pädophil ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, wer zum Täter wird. Die Beschränkung auf den kriminellen Pädophilen verschleiert, dass nur ein sehr geringer Teil der Sexualverbrechen an Minderjährigen aufgrund einer pädophilen Neigung begangen wird. Verstärkt wird diese Wahrnehmungsverzerrung durch die Konzentration des Interesses auf das durch den Erwachsenen sexuell gefährdete Kind, die sowohl die öffentliche Debatte als auch die meisten Filme zum Thema prägt. Es verwundert daher nicht, dass sich gerade in der Sparte des Kriminalfilms das Sujet des Kindesmissbrauchs ungebrochener Beliebtheit erfreut. Kaum ein anderes Motiv eignet sich besser als Hintergrund zur Darstellung von Schuld und Obsession als das Verbrechen an der kindlichen Unschuld. Dabei geht meist eine idealisierte und entsexualisierte Vorstellung von Kindheit mit der Dämonisierung des vermeintlich omnipräsenten Täters einher.

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